Fachartikel

Fitnesstraining nach der Geburt

Dieser Artikel erschien im Oktober 2011 in der Fachzeitschrift ShapeUp Trainer`s only, Autorin: Verena Wiechers – Expertin für Prae- & Postnatales Training

Ein Baby zu haben ist wundervoll, aber auch anstrengend – die Mutter wird rund um die Uhr mental sowie körperlich gefordert. Deshalb haben viele Mütter mit chronischer Müdigkeit, Rückenbeschwerden oder ähnlichem zu kämpfen – hier kann ein spezielles MamaWorkout Wunder bewirken! Doch ACHTUNG: Es müssen einige Besonderheiten beachtet werden…

Bevor eine Frau wieder mit sportlichem Training beginnt, sollte unbedingt die Regenerationsphase, das s.g. Wochenbett[1], sowie die daran anschließende Rückbildungsgymnastik abgeschlossen sein! Durch Schwangerschaft und Geburt wurden die Bauch- und Beckenbodenmuskeln stark in Mitleidenschaft gezogen, nach der Entbindung benötigen diese ca. 6 Wochen Regenerationszeit und danach ein gezieltes Rückbildungstraining unter professioneller Anleitung. Die Frau sollte 6 bis 12 Wochen nach der Geburt beginnen und über mindestens 10 Wochen regelmäßig einen Kurs bei einer ausgebildeten Hebamme bzw. Trainerin besuchen oder zuhause mit einer entsprechenden DVD trainieren.

Wiedereinstieg ins sportliche Training

Nach der Rückbildungsgymnastik sollte die Beckenboden- und Bauch/Rückenmuskulatur eigentlich wieder einwandfrei funktionieren und die Rectusdiastase[2] geschlossen sein. Leider ist dies bei vielen Frauen trotz Rückbildungskurs nicht der Fall – dies kann an einer mangelhaften Kurs-Qualität liegen, oft liegt es aber auch daran, dass der Körper schlichtweg noch Zeit und zielorientiertes Training braucht. Es kann ½ bis 1 Jahr brauchen, bis der Körper wieder die alte Konstitution hat, abhängig ist dies von folgenden Faktoren:

–       Trainingszustand der Muskulatur vor und während der Schwangerschaft (Wenn die Muskeln ein hohes Kraft- und Flexibilitätsniveau hatten, regenerieren sie schneller. Wer also auch während der Schwangerschaft angemessen trainiert, hat es hinterher leichter.)

–       Veranlagung

–       Verhalten der Mutter im Wochenbett (Viel Ruhe und beckenbodenschonendes Verhalten fördern die Regeneration der Muskulatur und es bilden sich wieder Energiereserven.)

–       Stillen (Stillen fordert Energie, außerdem sorgen die Stillhormone für ein nachgiebigeres Bindegewebe, erst nach dem Abstillen gewinnen Muskeln, Sehnen, Bänder wieder mehr Festigkeit und Stabilität.)

–       Rückbildungsgymnastik (Konsequente Durchführung von angemessenen und zielführenden Übungen für den Beckenboden sowie für alle Rumpfmuskeln).

Ist die Rückbildungsgymnastik nach ca. 4 Monaten abgeschlossen, darf also nicht einfach wieder „drauf los trainiert“ werden, als hätte keine Geburt stattgefunden. Mittels eines speziellen MamaWorkouts sollte die allgemeine Fitness strukturiert wieder aufgebaut werden. Durch angemessenes postnatales Training können Rücken- und Nackenbeschwerden, chronische Müdigkeit, Beckenbodenschwäche etc. vermieden werden, die Frau fühlt sich vitaler, kann den Mama-Alltag gut meistern und die Zeit mit ihrem Baby noch mehr genießen!

Inhalte von postnatalem MamaWorkout:

–       moderates Ausdauertraining

–       Haltungsschulung (vor allem im Hinblick auf richtiges Heben und Tragen)

–       Beckenbodenschulung und Beckenbodenkräftigung

–       Kräftigung der Rumpfmuskulatur (Core-Training)

–       Ganzkörperkräftigung sowie -mobilisation

–       Entspannung

Die folgende Tabelle zeigt, welche körperlichen und mentalen Bedingungen bei jungen Müttern vorliegen und welche Trainingsbesonderheiten daraus resultieren.

Körperliche und mentale Bedingungen bei jungen Müttern: Aus diesen Bedingungen resultieren folgende Besonderheiten beim postnatalen MamaWorkout:
–        Normalerweise sind nach der Rückbildungsphase alle Geburtsverletzungen (z.B. Dammriss, Kaiserschnittnarbe) verheilt und schmerzfrei. Manchmal fühlt sich das Narbengewebe aber immer noch unangenehm an. –     Bei Schmerzen oder unangenehmen Gefühlen in der Narbengegend, muss ärztlich geklärt werden, ob die Narbe wirklich gut verheilt ist. Meist ist dies der Fall und solange das unangenehme Gefühl noch vorhanden ist, bieten Sie der Frau alternative Übungen an (z.B. in für sie angenehmeren Körperpositionen).
–        Schwangerschaft und Geburt haben den Beckenring geweitet, d.h. die gelenkigen Verbindungen und Bänder im Beckenbereich sind lockerer. Vor allem die Symphyse (=Schambeinfuge) ist nun weiter und instabiler. Die frühere Beckenstabilität ist normalerweise nach ½ bis 1 Jahr wieder hergestellt. –     In den ersten 8 Trainingswochen stoßbelastendes Ausdauertraining wie z.B. High-Impact-Kurse[1] oder Jogging vermeiden und statt dessen lieber das Rad oder den Crosstrainer nutzen.-     In den ersten 8 Trainingswochen nur moderates Ausdauertraining bei 50-60% der HFmax.

–     Sobald Schmerzen oder Druck/Zuggefühle im Becken- bzw. Hüftbereich auftreten, das Ausdauertraining abbrechen und lieber Krafttraining machen!

–     Integrieren Sie viele stabilisierende Übungen für Becken und Hüftgelenke ins Krafttraining.

–        Der Beckenboden wurde in der Schwangerschaft stark beansprucht und bei der Geburt extrem gedehnt. Nach der Rückbildungsgymnastik ist er bei vielen Frauen noch nicht wieder voll funktionstüchtig. –     Stellen Sie sicher, dass die Frau weiß wie der Beckenboden (alle 3 Schichten!) aktiviert und in Haltung und Bewegung eingesetzt wird.-     In den ersten 8 Trainingswochen stoßbelastendes Ausdauertraining vermeiden (siehe oben).

–     Bauen Sie spezielle Rückbildungsübungen in das Krafttraining ein.

–     Bringen Sie der Frau bei, bei ALLEN Rumpfübungen immer VOR ÜBUNGSBEGINN den Beckenboden zu aktivieren.

–     In den ersten 8 Trainingswochen sollten Kraftübungen bestenfalls im Liegen (auf einer Matte oder einem Gerät) stattfinden, denn im Liegen wirkt die Schwerkraft nicht „runterziehend“ auf den Beckenboden und die Beckengelenke werden kaum belastet.

–       Aufgrund des großen Schwangerschaftsbauches dünnt sich der M. rectus abdominis etwas aus und verliert an Tonus. Zudem bildet sich eine Rektusdiastase. Bestenfalls bildet sich diese Bauchmuskelspalte in der Rückbildungsphase vollständig zurück, sie kann aber auch noch lange weiter bestehen. Solange sie besteht, ist der M. rectus abdominis kaum funktionstüchtig.-        Viele Frauen klagen auch Monate nach der Geburt über einen dicken Unterbauch, obwohl sie ihr altes Gewicht haben, dies liegt an einer nicht geschlossenen Rectusdiastase und/oder an einem zu schwachen M. transversus abdominis.

–        Wenn sich die Rektusdiastase trotz Training nicht zurück entwickelt, muss ärztlich abgeklärt werden, ob ein operativer Eingriff notwendig ist.

–        Aus der Rückenlage aufrollende Bewegungen (z.B. gerade und schräge Crunches) treiben die beiden Muskelstränge des M. rectus abdominis noch mehr auseinander. Solange die Rektusdiastase besteht, kein Training des M. rectus abdominis durch aufrollende Bewegungen!-        Trainieren Sie die Bauchmuskulatur immer in ihrer Funktionseinheit als „Muskelkorsett“[2] um die Körpermitte herum (das kennen Sie von Pilates oder Core-Training).

–        Trainieren Sie vor allem den M. transversus (natürlich nicht isoliert, sondern in Kombination mit der schrägen Bauchmuskulatur und dem Erector Spinae), denn dieser macht den Bauch flach und „zurrt“ die Taille zusammen, was wiederum die Rectusdiastase zusammenzieht.

–     Vorgehensweise zum Wiederaufbau der Bauch- bzw. Rumpfmuskulatur und zum Schließen der Rectusdiastase:

  1. Trainieren Sie das „Muskelkorsett“ um die Körpermitte zunächst nur statisch.
  2. Bringen Sie der Frau bei, bei allen Rumpfübungen den Beckenboden und den M. transversus abdominis anzuspannen. Sobald dies gut funktioniert, können Sie dynamische Rumpfübungen anbieten (noch keine Crunches!).
  3. Nach 10-12 Wochen können Sie langsam wieder mit Aufrollbewegungen aus der Rückenlage beginnen (sofern keine Rectusdiastase mehr besteht und die Frau dabei Beckenboden und M. transversus abdominis anspannt).
–        Stillende Mütter haben größere, teilweise spannende Brüste. –    Während des Stillens (und am besten auch danach) muss ein sehr stabiler, fester Sport-BH beim getragen werden.-        Bei Übungen in Bauchlage können Kissen untergelagert werden falls die Brüste „im Weg sind“.

–        Möglichst wenig Übungen in Bauchlage anbieten, eine gute Alternative ist oft der Vierfüßlerstand.

–        Mütter haben häufig Nacken- und Rückenbeschwerden vom vielen Tragen. –         Kräftigen Sie vor allem die Rumpfmuskulatur, den Nacken, die Schultern und die Armmuskulatur für die Belastungen des Mama-Alltags.-         Dehnen und entspannen Sie die Bereiche Rücken/Nacken und Schultergürtel.

–         Zeigen Sie eine gute aufrechte Haltung und wie man diese beim Tragen von Baby, Maxi-Cosi etc. einsetzen soll.

–         Zeigen Sie Dehnübungen für Zuhause.

–        Mütter sind körperlich und mental oft stark belastet. Viele Verspannungen im Rücken/Nacken haben psychosomatischen Ursprung. –         Bauen Sie am Ende des Trainings Entspannungsübungen ein (z.B. nach Jacobsen) und geben Sie Entspannungstipps für Zuhause.

[1] High-Impact-Kurse sind alle Aerobic-artigen Kurse, wo gesprungen wird

[2] Das s.g. „Muskelkorsett“ besteht aus allen Bauchmuskeln und dem Erector Spinae. Es bildet eine Funktionseinheit, die die Körpermitte bewegt sowie stabilisiert.


[1] Das s.g. Wochenbett bezieht sich auf die ersten 6 Wochen, in denen sich die inneren Organe sowie die Beckenboden- und Bauchmuskulatur von Schwangerschaft und Geburt regenerieren müssen und in der die Bindung zwischen Mutter und Kind erfolgt.

[2] Rektusdiastase = Auseinanderstehen der zwei Stränge des M. rectus abdominis im Bereich der Linea alba.

Die Autorin Verena Wiechers leitet die AKADEMIE FÜR PRÄ- & POSTNATALES TRAINING. Hier gehts zu den Weiterbildungen, Workshops und Fernkursen… 

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